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Intro

Studierende der Public History Bremen erzählen, wie sie sich mit der Geschichte ihrer Familie während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzen.
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Familiengeschichten.

Public Memory meint Erinnerungen für, in und mit der Öffentlichkeit. Diese öffentlichen Erinnerungen machen sichtbar, woran und wie unsere Gesellschaft erinnert. Die Leerstellen sind unsichtbar. Family Memory hingegen steht für identitätsstiftende Erinnerungen durch die Rekonstruktion der eigenen Familiengeschichten.

Uns interessieren die Widersprüche und Abweichungen von Public Memory und Family Memory. Welche Aspekte unserer Familienerinnerungen finden sich im öffentlichen Erinnern wieder? Und welche nicht? Wie können unsere  Familiengeschichten Teil der Public Memory werden?
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In der Auseinandersetzung mit unseren Familiengeschichten haben wir Leerstellen festgestellt. Darunter verstehen wir ein bewusstes oder unbewusstes Zurückhalten von Erinnerungen oder Erlebnissen. Gerade die Erinnerungen an die NS-Zeit sind von unseren Verwandten mehrheitlich nicht weitergegeben worden. Gründe dafür kann es viele geben: Schweigen, Auslassen, Verdrängen.

Wir versuchen, die Leerstellen in den Erinnerungen zu hinterfragen: Warum gibt es diese und wie können wir damit umgehen?
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Unsere Identitäten werden von uns selbst entworfen. Zugleich sind sie von äußeren Einflüssen geprägt wie Familie und Freunden, aber auch von der Öffentlichkeit. Einfluss auf unsere Identitäten haben unsere Familien durch Erziehung und Erzählungen. Sie vermitteln uns eine Vorstellung davon, woher wir kommen. Das schafft ein Gefühl der Verbundenheit und Nähe. Was aber passiert mit uns, wenn es keine Nähe und keine Erzählungen gibt?
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Die NS-Zeit hat nicht nur die Menschen damals geprägt, sondern auch nachfolgende Generationen. In den Familien, in denen ein Austausch darüber stattfindet, sind die Kriegserfahrungen ein ständiger Begleiter. Ihre Auswirkungen zeigen sich auf vielfältige Weise: in Verhalten und Einstellungen, in sozialen und kulturellen Bindungen. Wie beeinflussten die Kriegserfahrungen unsere Familien? Wie spüren wir die Nachwirkungen bis in die Gegenwart? Helfen uns diese Erfahrungen, um gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten?
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Facetten der Erinnerung

Eine Woche lang haben sich Studierende der Public History an der Universität Bremen damit auseinandergesetzt, welche Auswirkungen die Geschichte der eigenen Familie im Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkriegs auf ihre Generation hat. Ausgangspunkt dafür war der Besuch zweier historischer Orte: der Geschichtsort Stadthaus in Hamburg sowie die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Wie hat sich ihr Blick auf ihre eigene Familiengeschichte in diesen Tagen verändert? Welche Gedanken, Erfahrungen und Erkenntnisse nehmen sie mit in ihren Alltag?
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Epilog

Wie tief darf meine Geschichte gehen, wenn vieles im Verborgenen liegt? Was bleibt von dem bestehen, was jahrhundertelang hinunterstieg? Wie kann ich je verstehen, was die Verstorbenen umtrieb? / Tabea

Teilweise haben wir erstmals in unserer Familie über unseren persönlichen Bezug zur Geschichte nachgedacht und auch gesprochen. / Julia

Die Objekte, die wir mit unseren Familiengeschichten verbinden, sind wie die Geschichten dahinter: Einerseits ähneln sie sich, andererseits zeigen sie große Unterschiede. / Manuel

Aufarbeitung ist unsere Aufgabe. Im familiären Rahmen fängt es mit einer einfachen Frage an: Was willst Du erinnern? / Philip

Auf Kontinuitäten in der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen nach 1945 hinzuweisen sowie mit gängigen Narrativen in Familie und Gesellschaft zu brechen, wird mir ein wichtiges Anliegen bleiben. / Marlene

Die Reise in meine Familiengeschichte wurde zu einer Reise zu mir selbst, die ich jeder Person von ganzem Herzen empfehle. / Nadine

Die Interviews haben gezeigt, dass Narrative aufklären; die Geschichte meiner Familie zugänglich zu machen, wird meine Aufgabe für die Zukunft sein. / Jacob

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Dank

Für die Unterstützung danken wir Natascha Höhn, Ansgar Karnatz und Susann Lewerenz von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme innerhalb der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen. 

Für das Hosten des Pageflow danken wir dem Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors.
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Wie wird über drei Generationen hinweg in meiner Familie erinnert?

Ich bin Jacob, (Ur-)Urenkel von Familienmitgliedern, die den Nationalsozialismus erlebt und in Teilen unterstützt haben. Ich habe Interviews mit meinen Großeltern, meiner Mutter und meinem Bruder geführt, um herauszufinden, wie sich meine Familie mit der Rolle unserer Familie im Nationalsozialismus bislang auseinandergesetzt hat.
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Meine Oma ist Jahrgang 1948. Sie ist als erste Generation nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR aufgewachsen. Nach eigener Aussage distanzierten sich ihre Eltern nicht vom Nationalsozialismus, sie hätten über diese Zeit nicht reden wollen. Hier spricht sie darüber, wie sie sich mit der Vergangenheit ihrer Eltern auseinandergesetzt hat:

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Mein Opa ist Jahrgang 1946. Er ist ebenfalls als erste Generation nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR aufgewachsen. Sein Vater war Soldat, sein Großvater Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Hier erinnert sich mein Großvater an Erzählungen über die NS-Zeit in seiner Kindheit und Jugend: 

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Meine Mutter ist Jahrgang 1969. Sie ist als zweite Generation nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR aufgewachsen. Hier teilt sie ihre Gedanken über das Alltagsleben ihrer Großeltern und Urgroßeltern in der NS-Zeit:

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Mein Bruder ist Jahrgang 2003. Er ist in dritter Generation nach dem Zweiten Weltkrieg im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen. Hier spricht er darüber, wie er sich bislang mit der Vergangenheit seiner Urgroßeltern beschäftigt hat:

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Als letzter in der Reihe stehe ich. Die Interviewreihe ist meine Antwort auf die Frage: Wie hast du dich mit der NS-Vergangenheit deiner Familie beschäftigt?

Das Auseinandersetzten mit der NS-Vergangenheit ist in unserer Familie unterschiedlich: Meinen Großeltern, Kinder der Tätergeneration, fiel das Nachfragen schwer. Meine Mutter sah vor allem die liebenden Großeltern. Mein Bruder ist zeitlich und persönlich so weit von der Geschichte unserer Vorfahren entfernt, dass er bisher keinen Grund sah, sich intensiver mit der Familiengeschichte zu beschäftigen. Während der Interviews habe ich gemerkt, dass meine Fragen bei meiner Familie etwas in Gang gesetzt haben: Eine gemeinsame, aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte unserer Familie in der NS-Zeit scheint nun möglich zu sein.
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Wie wichtig ist die Familiengeschichte für die eigene Identität?

Jeder Mensch hat eine Familie. Allerdings heißt das nicht, dass wir unsere Familie kennen und dass wir viel über sie und unsere Familiengeschichte wissen. Wie ich heute fühle und denke, hängt mit den Menschen zusammen, die mich erzogen haben. Inwiefern hat meine Ursprungsfamilie die Basis für mein weiteres Leben und für meine Persönlichkeit gelegt? Wer bin ich eigentlich? Und was hat meine Identität mit meiner Familiengeschichte während des Zweiten Weltkriegs zu tun?
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Ich habe einen Namen, ein Alter, ein Geschlecht, einen Geburtsort. Abgesehen von diesen Eckdaten habe ich bestimmte Charakterzüge. Ich habe meine Meinung. Ich habe Werte. Ich habe eine eigene Identität. Ich frage mich, welche Menschen meine Identität mitgeformt haben. Welche Rolle hat dabei meine Familie gespielt?
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Ich stamme aus einer Familie von Bauern und Heuerleuten. Egal, was ich meine Familie frage, in der Regel lautet die Antwort: Wir mussten viel arbeiten. Über Arbeit wird in meiner Familie über die Generationen hinweg viel gesprochen. Ein Thema, über das in meiner Familie nicht gesprochen wird, ist Nähe. Ich frage mich, warum dies so ist.
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Mein Großonkel ist 1935 geboren. Er ist in einem Heuerhaus mit sieben Geschwistern als zweitältester Sohn aufgewachsen. Seine Eltern sind früh gestorben. Er wurde von seiner Großmutter aufgezogen. 

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Meine Mutter ist 1962 geboren. Sie ist auf einem Bauernhof mit drei jüngeren Geschwistern bei ihren Großeltern und ihrem Vater aufgewachsen.

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Ich lebe mit meinem Großonkel und meiner Mutter auf einem sogenannten Resthof. Meine jüngere Schwester wohnt in unserer Nähe. Mein Vater ist gestorben.

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Meine Mutter

Mein Großonkel

Ich

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Viele meiner Vorfahren sind früh gestorben. Mein Urgroßvater ist im Krieg gefallen. In der Erinnerung meines Großonkels hatten Kinder während des Kriegs zu arbeiten und folgsam sein: „Wir mussten parieren.“ Körperliche Züchtigung und räumliche Abgrenzung bestraften vermeintliches Fehlverhalten. Dieser Erziehungsstil hat auch mich beeinflusst. Ich will dieses Muster durchbrechen. Ich möchte Brücken zu vorherigen und nachfolgenden Generationen bauen. Dazu gehört für mich auch, mehr über die Geschichte meiner Familie während des Zweiten Weltkriegs herauszufinden.
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Exkurs Heuerleute

Heuerleute waren besitzlose Landarbeiter. Sie erhielten vom Bauern ein Stück Land zur Bewirtschaftung und ein Heuerhaus, in dem sie mit ihrer Familie wohnten. Dafür leisteten die Heuerleute dem Bauern Abgaben und gingen ihm zur Hand, vor allem während der Erntezeit. Die Heuerleute befanden sich in einer starken Abhängigkeit von „ihrem Bauern“ und bildeten die untere soziale Schicht im ländlich-bäuerlichen Kontext. Im nordwestdeutschen Raum waren sie ein wichtiges Element der Agrargesellschaft.
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Erinnern

Public Memory und Family Memory waren für mich zunächst einander gegenüberstehende Begriffe. Mittlerweile gehören sie für mich zusammen. Denn die persönliche Erinnerungskultur aus den Familien gelangt auf vielen Wegen in die Öffentlichkeit. Wie geschieht dies? Welche Fragen ergeben sich daraus? Und welche Antworten?
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Zeitzeuginnen und Zeitzeugen machen in Gesprächen ihre eigenen Geschichten oder die ihrer Familien einem breiteren Publikum zugänglich. Auf diese Weise treten verschiedene Menschen über die Generationen hinweg miteinander in einen Austausch. Zugleich gelangen so Erinnerungen aus dem Privaten in die Öffentlichkeit.
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Grabsteine geben ebenfalls einer breiteren Öffentlichkeit Einblicke in die Familienerinnerung. Über Jahrzehnte,  manchmal sogar über Jahrhunderte hinweg sind auf Grabsteinen Namen und Daten von Verstorbenen für alle zu lesen. Wir Nachgeborenen können uns so über die persönlichen Schicksale hinter den Namen und Daten Gedanken machen; auf diese Weise gedenken auch wir der Verstorbenen. Nachträglich angebrachte Inschriften und Informationstafeln verstärken diese Wirkung mitunter.
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Unter Gedenkzeichen werden Symbole für Opfer nationalsozialistischer Gewalt verstanden, die deren Angehörige an dem Ort hinterlassen, an dem sie ihrer Toten gedenken. Gedenkzeichen sind also Teil einer aktiven Erinnerungskultur, durch die an die Opfer nicht nur in den jeweiligen Familien erinnert wird, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Gedenkzeichen sind vielseitig: Es können schlicht wirkende Symbolobjekte wie Steine und Münzen sein oder Kunstobjekte wie die sogenannten Stolpersteine; diese in Fußwege eingebetteten Gedenksteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Gedenkzeichen können aber auch Bilder oder Briefe sein, die sehr persönliche Einblicke in die Lebenswelten der Familien geben.
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Gedenkzeichen

Oft finden sich an Gedenkorten – wie hier im Haus des Gedenkens der KZ-Gedenkstätte Neuengamme – Bilder der Ermordeten, die dort von Verwandten hinterlassen wurden. Dadurch wird der Menschen nicht mehr nur innerhalb der Familie gedacht, sondern auch die Öffentlichkeit wird miteinbezogen. Aus einem in einer Liste niedergeschriebenen Namen wird so ein persönliches Schicksal.
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Die wohl intimsten Gedenkzeichen sind meiner Meinung nach Briefe. Oft werden darin die eigenen Vorfahren direkt angesprochen und von persönlichen Erfahrungen erzählt. So erhält auch die Öffentlichkeit einen Blick in das Leben einer Familie und deren Gedenken. Dadurch, dass Menschen aus verschiedenen Generationen diese Briefe geschrieben haben, zum Beispiel noch lebende Geschwister oder die Urenkelin, gewähren sie der Öffentlichkeit auch Einblicke in intergenerationelles Gedenken.
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In der breiten Öffentlichkeit wahrscheinlich am bekanntesten sind die sogenannten Stolpersteine, ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Anders als viele andere Gedenkzeichen sind sie nicht an zentralen Orten zu finden, sondern verteilen sich über das ganze Land. Eingelassen in Straßen oder Gehwege, meist vor dem letzten selbst gewählten Wohnort von Verfolgten und Ermordeten, geben sie selbst vorbeieilenden Menschen einen Blick in die Geschichte. Die Stolpersteine sind für mich eine weniger persönliche Form des Gedenkens als Briefe und Bilder, doch auch sie tragen Lebensschicksale aus den Familien in die Öffentlichkeit und lassen so aus privatem Gedenken nach und nach öffentliches Erinnern werden.
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Es müssen nicht immer tiefe Einblicke in die Familien sein, die Gedenken in die Öffentlichkeit tragen. Oftmals sind es kleine, auf den ersten Blick unscheinbar wirkende Symbolobjekte wie Blumen, Kerzen, Münzen und Steine. Diese werden an den Gedenkorten nicht nur von Verwandten und Nachfahren hinterlassen, sondern auch von Menschen, die in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu den Opfern stehen. Wenn an einem Gedenkort aus einem einzelnen Stein mit der Zeit immer mehr Steine werden, gibt es für mich kein eindrücklicheres Beispiel dafür, wie persönliches Gedenken Teil der Gedanken von immer mehr Menschen und somit der öffentlichen Erinnerung wird.
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Denkansätze

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Warum tragen Familien ihr Gedenken in die Öffentlichkeit? Warum machen andere Familien dies nicht?

Auf welche Weise geht die Öffentlichkeit mit persönlichen Erinnerungen um?

Wie gelangt Gedenken im Privaten in einen öffentlichen Raum?

Gibt es eine Trennung zwischen Family Memory und Public Memory?

Wie beeinflussen sich familiäres und öffentliches Erinnern wechselseitig?

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Anhand von überlieferten Informationen einiger Familienangehöriger und meiner persönlichen Auseinandersetzung mit Gedenken und Erinnern versuche ich herauszufinden, inwieweit die Geschichten und Erinnerungen meiner Familie mit der deutschen Geschichte verwoben sind.
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Wozu brauche ich die Familienerinnerungen und inwieweit beeinflussen sie mein Dasein? Bislang habe ich mich vor allem mit dem Leben meiner Großmutter identifiziert. Ich habe mich gefragt, woher sie ihren Mut und ihre Leidenschaft hat. Sie hat mich mit ihren Geschichten geprägt.

Wie funktioniert eigentlich intergenerationelles Erinnern? Darf ich stolz auf meine Vorfahren sein? Und was passiert, wenn ich mich mit dem, was ich herausfinde, nicht identifizieren kann?

Familie meint für mich die Familie meiner Großmutter väterlicherseits. Wie unterschiedlich meine Familie den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, möchte ich im Folgenden erzählen.
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Ich komme aus einer Familie, in der alle musikalisch waren – eine Familie, deren Wohnzimmer eher einem Konzertsaal glich. Ich bin mit einer Großmutter aufgewachsen, die mich früh lehrte, wie wichtig es ist, sich kulturell zu bilden.

Familiäre Erinnerungen fühlen sich für mich wie eine Rechtfertigung meiner Interessen an – eine Art Bestätigung meines Könnens. Ich muss musikalisch sein, schließlich komme ich aus einer musikalischen Familie. Kein Wunder, dass ich gern Gedichte verfasse, so habe ich es immer in den Alben meiner Großmutter gesehen.

Diese Erbschaften prägen auch meinen Umgang mit Vergangenheit. Identifizieren sich Menschen leichter mit ihrer Familiengeschichte, wenn das, was sie glauben herauszufinden, ihnen zusagt?
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Die NS-Zeit scheint mir eine Zeit zu sein, über die in Deutschland öffentlich viel gesprochen wird, während es über sie im Privaten vergleichsweise wenig Austausch gibt. Wie sind wohl meine Vorfahren damit umgegangen, dass es im Krieg einen Alltag gegeben hat?

Schaue ich mit meiner Großmutter Alben ihrer Mutter, also meiner Urgroßmutter, an, sehe ich zum Beispiel musizierende Kinder. Mir ist bewusst, zu welcher Zeit diese Aufnahmen entstanden sind, doch mit deutscher Erinnerungskultur lassen sie sich für mich nur schwer verbinden. Woran liegt das? Sollte ich mich im öffentlichen Gedenken nicht individuell verstanden fühlen? Ich frage mich auch, ob es meine Familie überhaupt verdient, erinnert zu werden? Oder bedarf es dazu ganz anderer Geschichten?  Reicht es, dass es meine Familie ist?
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Mein Ururgroßvater Heinrich ist 1945 im Alter von 75 Jahren gestorben. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 war er also bereits Rentner. Ich frage mich, was er sich für die Zeit nach dem Krieg wünschte.
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Meine Urgroßmutter Irma wurde 1908 geboren. Sie war Kindergärtnerin und lebte seit 1929 irgendwo an der Ostsee. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie als sogenanntes Kinderfräulein. Ich habe sie selbst noch kennenlernen dürfen und habe ihre fürsorgliche Art bis zuletzt gespürt. Heute frage ich mich, wie sie die Veränderungen im Land während der NS-Zeit wahrgenommen hat. Hat sie sich, als sie selbst Kinder hatte, um deren Zukunft Sorgen gemacht? Gerne hätte ich sie das gefragt und mich nach ihrem Blickwinkel erkundigt. 
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Mein Urgroßvater Karl ist Jahrgang 1907. Während des Zweiten Weltkriegs war er als Diplom-Ingenieur in Hamburg tätig. Nach 1945 arbeitete er als Rundfunk- und Funkmechaniker in Neumünster. Von ihm würde ich vor allem gerne wissen, wie der Nationalsozialismus sein berufliches Leben geprägt hat.
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Mein Urgroßonkel Paul wurde 1903 geboren. Als junger Mann wanderte er 1927 in die USA aus. Während des Zweiten Weltkriegs lebte er in Chicago und beobachtete von dort, was in Europa passierte. Was mögen seine Gedanken gewesen sein?
Zum Anfang
Wie wird meine Generation in Zukunft gedenken und erinnern? Ich wünsche mir, dass sich in Deutschland öffentliches und familiäres Erinnern stärker einander annähern und dass in immer mehr Familien darüber gesprochen wird, was die Vorfahren in der NS-Zeit gemacht haben.
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Du selbst entscheidest, was Du erinnerst. Welche Erinnerungen weitergegeben werden, bestimmen hingegen andere. Allerdings bestimmst Du mit Deinen Fragen, zum Beispiel an Deine Verwandten, was erinnert werden kann.
Die erste Frage, die ich mir gestellt habe und die zu stellen, ich auch Dir empfehle, lautet: Was willst Du erinnern?
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Unsere Familiengeschichten prägen Erzählungen, gesellschaftliche Entwicklungen und äußere Umstände. Auf Leerstellen bezogen, gibt es aus meiner Sicht drei Ebenen: die familiäre, die gesellschaftliche und die übergeordnete Ebene. Jede dieser Ebenen beeinflusst unser familiäres Narrativ. Dies gilt für jeden historischen Zeitabschnitt und insbesondere für die NS-Zeit.
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Die Lebensgeschichten von Angehörigen mit Täterhintergrund werden in Familien oft unvollständig, geschönt oder gar nicht an nachfolgende Generationen weitergegeben. Das Verschweigen einer Teilhabe an NS-Verbrechen ist in einer Familie die erste Ebene, auf der Leerstellen entstehen: Sätze wie „Wir haben ja nichts gewusst“ oder „Die Großeltern waren keine Nazis“ prägen die Entstehung und Weitergabe von Leerstellen. Wer das Erinnerte erlebt hat, bestimmt auch, wie es in der Familie weitergegeben wird.
Zum Anfang
Als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Alliierten die Kontrolle über Deutschland übernahmen, begannen sie mit der sogenannten Entnazifizierung. So unterschiedlich diese in den vier Besatzungszonen verlief, so gab es doch eine Gemeinsamkeit: Als die Verfahren ab Ende der 1940er Jahre eingestellt wurden, entgingen viele Schuldige ihrer Bestrafung. In der Folgezeit übertrug sich das (Ver-)Schweigen auf viele Familiengeschichten, und zwar in beiden deutschen Staaten.
Zum Anfang
Statt Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen, flüchteten sich viele, in Ost- wie in Westdeutschland, in Geschichten vom angeblichen Neuanfang. Hierbei sind die gesellschaftliche und übergeordnete Ebene eng miteinander verzahnt: Die Gesellschaft wollte sich nicht an die eigene Täterschaft erinnern, die Regierenden förderten ein ritualisiertes Gedenken. Warum also in der eigenen Familie das (Ver-)Schweigen brechen?
Zum Anfang
Heute haben wir, ich und Du, die Wahl, denn Aufarbeitung der Geschichte ist jetzt die Aufgabe unserer Generation: Akzeptieren wir als Gesellschaft den bisherigen Umgang mit der NS-Vergangenheit? Lassen wir die Leerstellen in unseren Familiengeschichten bestehen? Welchen Wert messen wir dem Umgang mit unserer eigenen Geschichte bei?

Für mich steht fest: Ich möchte versuchen, die Leerstellen auf allen drei Ebenen zu füllen, indem ich sie suche und die bestehenden Narrative hinterfrage. Zugleich weiß ich, dass es selbst für unsere Generation nicht leicht ist, Erinnerungslücken zu schließen: Verwandte in einem anderen Licht zu sehen, als man es von Kindesbeinen an gewohnt ist, kostet Kraft und Überwindung.
Zum Anfang
Was hat das mit Deiner Familiengeschichte zu tun?

Alles!

Hinterfragen wir die Leerstellen in unseren Familien nicht, können wir auch die Leerstellen in der kollektiven Erinnerung nicht füllen. Fragen nach Erinnerungen und Erlebnissen in der eigenen Familie legen den Grundstein für die Aufarbeitung innerhalb der Gesellschaft. Es steht und fällt mit unserem Willen, Leerstellen zu hinterfragen. Wenn wir weiterhin wegsehen, können wir auch nichts verändern.
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Manche fordern mit der Vergangenheit abzuschließen; sei es aus ideologischen Gründen oder aus dem Gefühl heraus, nach all der Zeit keine Verantwortung mehr zu haben oder tragen zu wollen. Angesichts solcher Äußerungen ist es meiner Meinung nach umso wichtiger, sich der Leerstellen anzunehmen.

Erinnerungen sind fluide, ebenso unsere Familiengeschichten. Mit jeder neuen Generation verändern sich die Blicke darauf. Unsere Generation hat die Chance auf eine andere Erinnerungskultur: auf eine Erinnerungskultur ohne Leerstellen.
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Wie prägt der Zweite Weltkrieg bis heute Familien?

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Als ich zu Beginn des Seminars nach einem Objekt suchte, das für mich meine Familiengeschichte symbolisiert, gab mir meine Mutter eine kleine Tonflöte in Form eines Vogels, die sie als Kind von meinem Großvater in der Sowjetunion erhalten hatte. Mit leuchtenden Augen erzählte sie von fröhlichen Momenten, die sie mit diesem Spielzeug erlebt hatte. Für sie war es ein Symbol ihrer glücklichen Kindheit. Ich fragte mich, wie die Fluchterfahrungen meiner Großeltern ihre Lebenswelt beeinflusst hatten. Ist es möglich, im Schatten des Kriegs eine unbeschwerte Kindheit zu erleben?
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Im Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion. Meine Großeltern flohen mit ihren Familien von Odessa und Winnyzja mit dem Zug nach Asien. Dort konnten sie nicht mehr zur Schule gehen und mussten zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen. Bereits im Alter von elf Jahren musste mein Großvater in einer Stahlfabrik arbeiten. Den Erzählungen meiner Mutter zufolge musste auch meine Großmutter bereits als sehr junges Mädchen anfangen zu arbeiten und Baumwolle pflücken.
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1946 kehrte meine Großmutter mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in ihren Geburtsort Winnyzja zurück. Dort mussten sie festzustellen, dass ihr einstiges Zuhause in Trümmern lag. Sie waren gezwungen, mehrere Jahre bei verschiedenen Verwandten zu wohnen. Im Alter von 14 Jahren musste meine Großmutter in einer Nähfabrik arbeiten. Ähnlich erging es meinem Großvater, der nach Odessa zurückkehrte. Auch seiner Familie hatte der Krieg nicht nur das Dach über dem Kopf genommen. Weil meine Großeltern selbst keine unbeschwerte Kindheit haben konnten, setzten sie alles daran, ihren eigenen Kindern eine glückliche Kindheit zu ermöglichen.
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Der Zweite Weltkrieg war nicht nur ein ständiger Begleiter im Leben meiner Großeltern, sondern auch im Leben meiner Mutter. Dabei sorgten meine Großeltern dafür, dass meine Mutter in einer liebevollen Umgebung aufwachsen konnte. Sie vermittelten ihr den Wert von Bildung und Dankbarkeit und gaben ihr die Stärke, ihre Träume zu verwirklichen. Meine Mutter erfuhr von den Schicksalen ihrer Eltern durch ihre Großmutter. Sie erkannte, welche tiefen Wunden der Krieg in den Herzen ihrer Eltern hinterlassen hatte.
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Obwohl ich zur dritten Generation gehöre und keinen direkten Bezug zum Krieg habe, begleiten mich die Geschichten, die ich von meiner Mutter über meine Familie erfahren habe. Die Werte und Hoffnungen meiner Großeltern ziehen sich wie ein roter Faden auch durch meine Erziehung. Von meinen ersten Schritten in der akademischen Welt bis zu meinen jüngsten Unternehmungen fand ich bei meiner Mutter und meinen Großeltern Unterstützung. Sie ermutigten mich, meinen eigenen Weg zu gehen. Während meiner Kindheit spürte ich, wie meine Familie darauf bedacht war, mir eine vielversprechende Zukunft zu ermöglichen. Ihre Ermutigung spornte mich an, meine Träume zu verfolgen. Auf diese Weise fühle ich mich über die Generationen hinweg mit meinen Vorfahren verbunden, die trotz der Dunkelheit des Kriegs die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nie aufgaben.
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Immer wenn sich Familie und Freunde versammelten, pflegte mein Großvater, diesen Toast auszusprechen. Damit drückte er den Wunsch nach dauerhaftem Frieden für uns alle aus. Die Leiden meiner Großeltern während des Kriegs motivierten sie, ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ihre Hoffnungen und Träume wurden über die Generationen hinweg in unserer Familie weitergegeben. Trotz der Dunkelheit der Vergangenheit können auch wir für eine erfüllte Zukunft sorgen, indem wir die Geschichte niemals in Vergessenheit geraten lassen. So tragen wir dazu bei, dass der Himmel über uns friedlich bleibt.
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Das Interview

Meine Informationen über die Geschichte meiner Familie habe ich von meiner Mutter. Sie wurde 1957 in Winnyzja geboren. In unserem Gespräch, das wir auf Russisch geführt haben und das ich hier in Auszügen ins Deutsche übersetze, ging es um verschiedene Themen: Wir haben über ihre Kindheit gesprochen, über die Werte unserer Familie sowie über die Fluchterfahrungen meiner Großeltern und die Nachwirkungen des Kriegs auf unseren Alltag.
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Erzählungen über den Krieg

Ich habe von meiner Großmutter über den Krieg und ihre Erlebnisse erfahren. Mein Vater hat mir erst im Alter von seinem Schicksal erzählt. Jetzt wird mir bewusst, wie sehr er meine Kindheit dadurch schützen wollte.

Bildung

Bildung war für meine Eltern von großer Bedeutung. Während meiner Schulzeit haben sie meine Hausaufgaben überprüft, sie haben darauf geachtet, dass ich konzentriert arbeite, und wir haben über meine schulischen Aufgaben gesprochen. Sie ermutigten mich, mich zu engagieren, um Neues zu lernen und meine Talente und Interessen zu fördern. Stets sorgten sie für optimale Lernbedingungen. Noch heute erinnere ich mich daran, dass mein Vater sagte, Bildung sei notwendig, um ein wahrer Mensch zu werden.

Nachwirkungen des Kriegs

Mir wurde bewusst, wie sehr der Krieg meine Eltern belastet hat. Meine Mutter hat es ihr Leben lang bedauert, dass sie nicht mehr zur Schule gehen konnte. Die Angst, die sie erlebt hat, war immer spürbar. Sie sagte oft, man könne alles aushalten, aber nichts sei schlimmer als der Krieg.

Dankbarkeit

Ich hatte eine wirklich schöne Kindheit. Wir waren zwar nicht reich, aber ich hatte alles, was ich mir wünschen konnte. Von klein auf wurde mir beigebracht, für alles, was ich habe, dankbar zu sein. Ich bin dankbar dafür, am Leben zu sein, genug zu essen zu haben und ein Dach über dem Kopf zu besitzen. Diese Dinge waren für meine Eltern während des Krieges keineswegs selbstverständlich.

Stolz

Durch die Unterstützung meiner Eltern konnten mein Bruder und ich studieren. Als ich Ingenieurin und er Arzt wurde, waren sie überglücklich. Wir hatten erreicht, wovon sie ein Leben lang geträumt hatten.

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Welche Erinnerungen sind (un-)sichtbar?

Die Geschichte meiner Urgroßeltern mütterlicherseits weist für mich Leerstellen auf. Ich frage mich: Welche Erinnerungen sind (un-)sichtbar? Und was sind die Gründe dafür?
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Von der Generation meiner Großeltern ist mir die Geschichte meiner Großmutter mütterlicherseits am besten bekannt. 1936 in Grünberg, in der Nähe von Lodz, als viertes von acht Kindern geboren, wuchs sie auf dem Land auf. Ihre Kindheit erinnert sie als unbeschwert. Das änderte sich mit dem Näherrücken der Roten Armee. 1945 flüchtete meine Urgroßmutter mit sieben Kindern Richtung Westen. Der älteste Bruder meiner Großmutter und mein Urgroßvater waren zu diesem Zeitpunkt Soldaten.
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Nach knapp 100 Kilometern wurden meine Urgroßmutter und ihre Kinder von der Roten Armee eingeholt. Sie mussten nach Grünberg zurückkehren. Aufgrund der schlechten Lebensbedingungen vor Ort begaben sie sich im Spätsommer 1946 erneut auf die Flucht. Über Breslau gelangten sie letztendlich in ein niedersächsisches Dorf. Dort versuchten sie, sich eine neue Existenz aufzubauen. Mein Urgroßvater kehrte im Herbst 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft zu seiner Familie zurück.
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Wie war es für meine Urgroßmutter, allein mit sieben Kindern auf der Flucht zu sein? Wie fühlte sie sich angesichts des Heimatverlusts? Ich konnte sie nie selbst dazu befragen.

Auch das Leben meines Urgroßvaters während der Kriegsjahre und die Zeit der Kriegsgefangenschaft kann ich nur schwer nachzeichnen. Was hat er im Krieg gemacht? Wie sah sein Alltag als Wehrmachtssoldat aus? Was hat er während der russischen Kriegsgefangenschaft erlebt?
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Hier berichtet sie von den Kriegserinnerungen ihrer Eltern und der Nachkriegszeit.

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Meine Mutter über ihren Großvater

Meine Mutter über ihre Großmutter

Meine Mutter

Im August 2023 sprach ich mit meiner Mutter über ihre Großeltern. Ich fragte sie: Haben deine Großeltern mit dir über ihre Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit gesprochen?

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Wie gehe ich als Urenkelin mit diesen Leerstellen um?

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Es gibt in meiner Familie unsichtbare Erinnerungen und sichtbare Erinnerungen. Es gibt Leerstellen und Geschichten sowie Narrative. Es gibt Dimensionen von Täterschaft und Opfersein. Es gibt das Sprechen und das Schweigen. Und das Verschweigen und das Verdrängen. Es gibt Traumata. Mir scheint, als gäbe es auch Gefühle der Scham und Schuld.

Meine Familiengeschichte weist, wie so viele andere auch, Leerstellen auf. Die Auseinandersetzung damit gab mir ein paar Antworten und hat zugleich viele neue Fragen aufgeworfen. Das Hinsehen, Zuhören, Nachfragen und Sprechen bilden für mich einen Anfang, um mehr über die Geschichte meiner Urgroßeltern mütterlicherseits herauszufinden. Und den Anfang für etwas Neues.
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