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Perspektiven öffnen - Geschichten teilen

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Intro






Foto: Nina Weber (SHGL)
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Dieser Pageflow stellt Ergebnisse des Projekts „Perspektiven öffnen – Geschichten teilen“ vor. Er greift Fragen und Themen auf, die für die Projektteilnehmenden bedeutsam waren, gibt Einblicke in ihre Diskussionen und präsentiert Auszüge aus ihren Beiträgen. Damit dokumentiert er den Projektverlauf. Darüber hinaus kann er als assoziativer Einstieg in die Bildungsarbeit zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg im östlichen Europa dienen.








Foto: Nina Weber (SHGL)

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Über den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“ ist in der deutschen Öffentlichkeit bis heute wenig bekannt. Gleiches gilt für die Schicksale der NS-Verfolgten aus dem östlichen Europa. Sie bilden oft noch immer „Leerstellen“ der Erinnerung.

Foto: Nina Weber (SHGL)
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Zugleich haben viele in Deutschland lebende Menschen mit Migrationsgeschichte Verbindungen ins östliche Europa – darunter in Länder, die während des Zweiten Weltkriegs Tatorte von NS-Verbrechen wurden. Welche Erinnerungen bringen sie mit? Welche Perspektiven haben sie auf die Erinnerungskultur in Deutschland? Und was bedeuten die „Leerstellen“ in der deutschen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg für sie?

Foto: Nina Weber (SHGL)
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Im Rahmen des Projekts luden wir eine Reihe von Menschen mit ost- und mittelosteuropäischen Herkunfts- oder Familiengeschichten dazu ein, in einen offenen Austausch zu treten und im Rahmen von Workshops, in Gesprächen sowie in eigenen Beiträgen ihre Perspektiven auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg zu teilen.


Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Ella Nikulina

„Mein Zugang zum Projekt ist geprägt durch meine eigene Familiengeschichte und die damit verknüpften kleinen und großen Verbindungslinien zu den Themen: Zweiter Weltkrieg, Shoah und die Gegenwart in Deutschland für Post-Ost-Communities.“

Ksenja Holzmann

„Ich möchte durch meine Geschichte und meine Perspektive zeigen, dass wir alle Erinnerungskultur(en) gestalten können. Es beginnt bereits in dem Moment, wo Fragen entwickelt und geäußert werden.“

Yulia Hartz

„Den Zugang zu dem Thema habe ich über meine Großmutter und ihre Erzählungen aus ihrer Kindheit in dem von der Wehrmacht besetzten Dorf in der Sowjetunion.“

Natalia Wollny

„Als Person mit polnischer Herkunftsgeschichte, die sich viel mit deutscher und (ost-)europäischer Erinnerungskultur beschäftigt hat, fand ich es immer sehr bedauerlich, wie marginalisiert unsere Stimmen hinsichtlich der Erinnerungskultur in Deutschland sind. Das Projekt nimmt dieses Problem in den Blick und setzt sich kritisch damit auseinander – für mich ein wertvoller Zugang, den ich mitgestalten möchte.“

Jan Dohrmann

„Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit der Erinnerung an Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und gestalte sie auch mit. Immer wieder muss ich feststellen, wie sehr mittel- und westeuropäische Perspektiven dominier(t)en. Allerhöchste Zeit also, die Erfahrungen, Sprachen und Kulturen osteuropäischer Menschen stärker in den Blick zu nehmen.“

Alexey Markin

„Mein Zugang war eine Veranstaltung über sowjetische Gefangene in Neuengamme am 28. August 2021. Dieses Thema wollte ich auch beim Workshop vertiefen und besprechen. Meine Überlegung war, wie kann man heute diese Menschen würdigen und ohne ideologischen Klischees erinnern? Welche Erinnerungspolitik gegenüber diese Menschen wäre hier in Deutschland gerecht?“

N. Jan

„Mein Zugang zum Projekt ist eröffnet worden, weil ich bereits an Workshops zur Familienbiograpie in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme teilgenommen habe. Beruflich habe ich mit Erinnerungskultur/ Geschichte/ Gedenkstättenarbeit nichts zu tun, aber mir ist der Austausch zum Kontext Zweiter Weltkrieg sehr wichtig, insbesondere mit Menschen mit osteuropäischen Hintergrund.“

Marina Gerber

„Mein Zugang zum Projekt ist über die Beschäftigung mit den Wissensdiskursen über und aus Osteuropa sowie meine Herkunft aus dem westsibirischen Russland.“

Hera Shokohi

„Ich bin Historikerin und beschäftige mich seit einigen Jahren mit der Geschichte Osteuropas, vor allem mit der Geschichte der Sowjetunion. Osteuropa ist mein Forschungsgegenstand. Zugleich ist Osteuropa für mich ein Teil meiner Familiengeschichte: Mein Urgroßvater lebte im Iran und entschied sich, in Azerbaijan der Roten Armee beizutreten. Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg und – laut dem tradierten Familiengedächtnis – kam er bis nach Berlin im Mai 1945. Viele meiner Familienangehörigen und Vorfahr:innen reisten in die Sowjetunion und hatten dort Freunde und Familie. Die „sowjetischen Berührungspunkte“ sind in meiner Familiengeschichte weitestgehend eine Leerstelle. Durch meine wissenschaftliche Arbeit hoffe ich sie zu füllen.“

Foto: Nina Weber (SHGL)

Antanina Chumakova

„Mein Zugang zu Erinnerungskultur war über die Geschichte des Minsker Ghettos und des Vernichtungslagers Trostenez, wo Tausende Juden aus Minsk, Hamburg, Bremen, Düsseldorf, Köln, Bonn, Frankfurt, Berlin, Wien und Bonn umgebracht wurden. Die Geschichte dieser Orte ist in Belarus wie in Deutschland über Jahrzehnte hinweg vergessen worden. In der deutschen Erinnerungskultur galt die Sowjetunion als ein Ort des Krieges. Die Tatorte und Morde spielten kaum eine Rolle. In der offiziellen Helden- und Partisanengeschichte des belarussischen Volkes gab es keinen Raum für das Gedenken an die Verfolgung und Vernichtung der belarussischen Juden. Erst nach 73 Jahren wurde eine gemeinsame Erinnerungskultur möglich.“





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Der Blick auf die Vergangenheit: Erinnern und Gedenken

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Ein Schwerpunkt des Austauschs während der zwei Workshops des Projekts lag auf den unterschiedlichen Geschichten, Erinnerungen und Perspektiven, die die Projektteilnehmenden mitbrachten.


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wurden und werden in der Familie weitergegeben oder verschwiegen. Die Geschichte des Krieges wird in der Schule, durch Medien sowie in Form von Denkmälern oder Gedenktagen vermittelt. Was bedeutet es für Betroffene, an Geschichten von Gewalt und Leid zu erinnern – und welche Folgen hat es für sie und, allgemeiner, für die Gesellschaft, wenn solche Geschichten nicht erzählt werden?

Foto: Iris Groschek (SHGL)
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Zum Erinnern und Gedenken gehört auch die staatliche Erinnerungskultur. Sie zeigt sich in Form von Denkmälern oder Gedenktagen. Inwiefern unterscheiden sich die Erinnerungskulturen in verschiedenen Ländern – welche „Leerstellen“ lassen sich jeweils ausmachen? Und welche Rolle spielen hierbei politische Einflüsse?

Foto: Nina Weber (SHGL)
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Einige Teilnehmende arbeiteten am Beispiel konkreter Gedenkorte oder Jahrestage heraus, welche „Leerstellen“ diese aufweisen, welche verschiedenen Schichten von Erinnerung sich hier abgelagert haben und welche unterschiedlichen Erinnerungen für sie darin aufeinandertreffen.

Foto: Nina Weber (SHGL)
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Die Geschichte in der Gegenwart

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Die Projektteilnehmenden tauschten sich darüber aus, welche unterschiedlichen Bedeutungen Geschichte und Erinnerung für sie in der Gegenwart haben, wie sie die eigene Identität prägen und inwiefern sie bis heute fortwirken.


Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Inwiefern wirken Geschichte und Erinnerung in das eigene Leben hinein? In welcher Weise prägen sie die Identität – und in welchen Momenten wird dies besonders spürbar?

Foto: Iris Groschek (SHGL)
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Im Rahmen des Projekts stellte sich immer wieder die Frage nach Kontinuitäten über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus. Einige Teilnehmende verwiesen auf die Repressionen, die viele ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter:innen nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat erleben mussten. Andere machten auf die lange ausbleibende Anerkennung und Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter:innen von deutscher Seite aufmerksam. Zudem wurde immer wieder der fortgesetzte Rassismus gegenüber Menschen aus dem östlichen Europa in Deutschland thematisiert – auch gegenüber ehemaligen NS-Verfolgten und ihren Nachkomm:innen.


Foto: Nina Weber (SHGL)
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Was haben Geschichte und Gegenwart miteinander zu tun? Diese Frage stellten sich die Teilnehmenden nicht erst mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 – und auch nicht allein in Zusammenhang mit diesem Krieg. Und doch bedeutete der Kriegsbeginn einen massiven Einschnitt in das Projekt, sodass sich viele Fragen noch einmal neu oder anders stellten.

Foto: Nina Weber (SHGL)
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Raum für vielfältige Erinnerungen

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Wie kann eine Erinnerungskultur aussehen, in der unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven einen Platz finden – sowohl auf der historischen Ebene als auch auf der gegenwärtigen Ebene?


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Die Teilnehmenden brachten ganz unterschiedliche Herkunfts-, Migrations- und Familiengeschichten, Erfahrungen und Interessen in das Projekt mit.
Eine Frage war daher, wie wir uns gemeinsam erinnern können in einer Gesellschaft, die von verschiedenen Erfahrungen und Perspektiven geprägt ist. Braucht es Gemeinsamkeiten dafür – und wenn ja, welches wären geeignete Kriterien: eine gemeinsame Herkunft, ähnliche Erfahrungen oder geteilte Anliegen?
Lassen sich Verbindungen auch über Unterschiede hinweg herstellen – und wenn ja, wie?


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)
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Was nehmen die Teilnehmenden aus dem Projekt mit – und welche Wünsche haben sie bezüglich der Erinnerungskultur?


Foto: Iris Groschek (SHGL)
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Ella Nikulina

„Das Projekt eröffnete mir im intensiven Austausch mit den anderen Teilnehmenden neue Perspektiven auf meine eigene Familiengeschichte sowie auf die Themen Erinnerung und Erinnerungskultur in ihren vielfältigen Kontexten. Ich wünsche mir neue Allianzen zwischen Akteur:innen aus Wissenschaft und Kunst, um Osteuropa in seiner Vielfalt darzustellen.“

Ksenja Holzmann

„Ich nehme viele Geschichten, Gespräche und Perspektiven von Menschen mit, die mir ein solidarisches Gefühl geben und die – zusammen mit mir – die vielfältigen Postost-Geschichten sichtbar machen wollen.“

Yulia Hartz

„Aus dem Projekt und der aktuellen Lage nehme ich mit, dass es wichtig ist, in der Gedenkpolitik mehr Austausch von unterschiedlichen Seiten – Pluralität – und Konsens über die Werte der Menschenrechte zu schaffen.“

Natalia Wollny

„Obwohl Deutschland ein Einwanderungsland und geprägt von vielfältigen Perspektiven ist, spiegeln sich diese kaum in der Erinnerungskultur wider. Das Projekt zeigt mir jedoch auf, dass das vorherrschende Narrativ zumindest teilweise hinterfragt wird, Sensibilität für den migrantischen Blick auf Erinnerungskultur entsteht und das Interesse steigt, auch osteuropäische Perspektiven künftig stärker anzuhören und zu integrieren.“

Jan Dohrmann

„Gemeinsamkeiten und Unterschiede osteuropäischer Perspektiven auf die Erinnerung an NS-Opfer prägten unsere Workshops. Insbesondere für die Vielfalt konnte ich meinen Blick schärfen. Dass ich diesen in nun meinen Beruf und mein Engagement einbringen kann, verdanke ich diesem spannenden Projekt und seinen Teilnehmenden.“

Antanina Chumakova

„Die Geschichte ist eine wichtige Voraussetzung für Verständigung und Versöhnung. Zwei Fragen dazu beschäftigen mich nach dem Projekt: Wenn wir verantwortungsbewusster mit der Vergangenheit umgegangen wären, wenn wir das Vergessen nicht zugelassen hätten, gäbe es in der Ukraine heute keinen Krieg? Und welchen Wert hat eine gemeinsame Erinnerungskultur zum Zweiten Weltkrieg angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine? Der erste Schritt zu einer grenzüberschreitenden Erinnerungskultur findet statt, indem wir versuchen uns miteinander zu verständigen, gemeinsam verantwortlich mit der Geschichte umzugehen und die eigene Sicht auf diese aus anderen Perspektiven zu prüfen. Das hat im Projekt stattgefunden!“

Alexey Markin

„Aus dem Projekt nehme ich viele Fragen mit. Zurzeit werden die Geschichte und die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg von russischer Seite vollkommen verdreht und missbraucht. Die sowjetischen Opfer des Faschismus dienen in der russischen Kriegspropaganda als Rechtfertigung für den Angriff auf die Ukraine. Wie kann man mit diesem verbrecherischen Raub der Erinnerung aller betroffenen Menschen umgehen? Was kann man tun, um diesen Missbrauch zu stoppen?“

N. Jan

„Ich nehme aus dem Projekt ein positives und beruhigendes Gefühl mit, dass Osteuropäer/ Migranten mit osteuropäischem Hintergrund wahr- und ernstgenommen werden, dass es ein Interesse gibt, auf den Personenkreis aufmerksam zu machen in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und so die Möglichkeit an die Gesellschaft geboten wird, sich zu informieren und etwas aufzuarbeiten.“

Marina Gerber

„Die Beschäftigung mit dem Projekt hat meine Arbeit bereichert und bestärkt. Ich fand es besonders interessant, über die Beziehung zwischen kollektiver und persönlicher Erinnerung nachzudenken.“

Hera Shokohi

„Um über das östliche Europa zu reden, müssen wir mit dem östlichen Europa reden. Osteuropa ist eine dynamische und global verflochtene Region voller Lebens- und Leidensgeschichten. Diese Region kann man nur in ihrer Ganzheit verstehen und erfassen, wenn man in Dialog mit Menschen tritt, deren Biographien mit der Region verflochten sind. Dazu gehört vor allem auch der Austausch mit den Nachfolgerepubliken der Sowjetunion. In Deutschland ist Osteuropa eine Leerstelle, weil niemand weiß, was hinter diesem Begriff steht. Es ist längst an der Zeit, die radikale Vielfalt der osteuropäischen Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen.“

Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Abschluss

Ohne das Interesse, die Bereitschaft, ihre Perspektiven und Geschichten zu teilen, und die vielfältigen Beiträge der Teilnehmenden wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Wir hoffen auf eine Fortsetzung des Austauschs!


Foto: Nina Weber (SHGL)
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Das Projekt „Perspektiven eröffnen – Geschichten teilen“ der KZ-Gedenkstätte Neuengamme fand 2021/22 im Rahmen des Transferprojekts „Migration Lab Germany“ der Universität Hildesheim statt und wurde von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gefördert.

Foto: Melina Hermel (SHGL)

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Projektteam: Susann Lewerenz (Leitung), Eyleen Grinda, Nina Weber, Yeliz Irene Yilmaz

Projektteilnehmende: Antanina Chumakova, Jan Dohrmann, Marina Gerber, Yulia Hartz, Ksenja Holzmann, N. Jan*, Kamil Majchrzak, Alexey Markin, Ella Nikulina, Jannick Piskorski, Hera Shokohi, Natalia Wollny

Weitere Beiträge: Leon Altenaehr, Martin Aust, Dilara Dağoğlu, Zaur Gasimov, Olga Iwanowa*, Ansgar Karnatz, Susann Lewerenz, Katja Makhotina, Natascha Nowikowa*, Yeliz Irene Yilmaz

Konzeption des Pageflows: Susann Lewerenz, Eyleen Grinda, Nina Weber

Visuelles Konzept: Nina Weber

Umsetzung des Pageflows: BE|YOND strategic consulting

Fotos: bpk/Deutsches Historisches Museum – Sebastian Ahlers, Bundesarchiv – Rudolf Kessler/CC-BY-SA 3.0, CCO Public Domain, Denkort Bunker Valentin/Landeszentrale für politische Bildung Bremen – Henry Fried, Alexander Glaue, Sarah Grandke, Iris Groschek, Melina Hermel, Sammlung N. Jan*, KZ-Gedenkstätte Dachau, Susann Lewerenz, Katja Makhotina, Emily Mohney, Museum of Warsaw – Ewa Faryaszewska, Ella Nikulina, Privatbesitz, Sammlung Jan Dohrmann, Sammlung Natascha Nowikowa*, Justin Warland, Nina Weber

Foto-Bearbeitung: Anat Frumkin, Eyleen Grinda, Nina Weber

Illustrationen: Stewart Martin

Videos: Denkort Bunker Valentin/Landeszentrale für politische Bildung Bremen – Henry Fried, Susann Lewerenz, Hera Shokohi, Nina Weber

Audios: Marina Gerber, Eyleen Grinda, Ksenja Holzmann, Susann Lewerenz, Jannick Piskorski

Bearbeitung und Schnitt von Audio- und Video-Interviews und -Filmen: Eyleen Grinda, Mattef Kuhlmey, Susann Lewerenz, Nina Weber

Redaktionelle Bearbeitung von Texten: Eyleen Grinda, Susann Lewerenz

Textlektorat: Ulrike Jensen

Für Kontakte, Anregungen und Hinweise danken wir herzlich Heidburg Behling, Alyn Beßmann, Hanno Billerbeck, Andreas Ehresmann, Gisela Ewe, Sarah Grandke, Swenja Granzow-Rauwald, Arkadij Khaet, Alexandra Köhring, Katja Makhotina, Lennart Onken und Oliver von Wrochem.

Veröffentlichung von Inhalten des Pageflows durch Dritte nur nach Rücksprache mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Kontakt: susann.lewerenz@gedenkstaetten.hamburg.de

* Name geändert
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Über das Erzählen von Geschichte(n)

Idee und Umsetzung: Marina Gerber;
Zeichnungen: Stewart Martin,
April 2022
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Spuren der Erinnerung

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Diese Fotografie zeigt Jan Dohrmanns Großvater, als dieser in deutscher Kriegsgefangenschaft war und Zwangsarbeit in einer Schlachterei leisten musste. Sammlung Jan Dohrmann

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N. Jan über ihre Großeltern, die zur Zwangsarbeit aus Polen bzw. der Sowjetunion nach Deutschland verschleppt worden waren

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„An meine Großmutter väterlicherseits kann ich mich nicht mehr erinnern, sie ist 1985 gestorben und wir sind 1983 ausgereist aus Polen. Ich kann mich also nur an meinen Großvater erinnern, bei dem wir in den Ferien waren oder aber er war auch zu Besuch bei uns in Deutschland.

Ich weiß, dass er ständig über seine Erlebnisse während seiner Zeit in Deutschland als Zwangsarbeiter geredet hat, auch wenn ich mit ihm spazieren war, z.B. Aber ich habe das nicht wirklich verstanden oder einordnen können, irgendwie war das für mich ganz normal, dass die Großeltern in Deutschland waren und das nicht freiwillig, dass das eine Art Verbrechen war, war mir schon klar, aber die Bedeutung für mich konnte ich noch nicht ermessen. Daher habe ich auch nicht wirklich zugehört, was ich sehr bedauere.

So in etwa war auch der Umgang damit in meiner Familie. Man wusste das, aber mehr als eine faktische Information war die Zwangsarbeiterzeit meiner Großeltern nicht. Hin und wieder wurde etwas erwähnt, und wenn der Großvater da war, hat er erzählt.

Ich weiß auch, dass mein Großvater auch ständig über seine Zeit in Deutschland redete, als mein Vater Kind und Heranwachsender war, und dass mein Vater das irgendwann nicht mehr hören wollte.

Meine Großmutter dagegen hielt ihre Erlebnisse zurück und redete darüber kaum, alles was ich weiß, habe ich durch konkretes Nachfragen erfahren als ich mich mit der Geschichte zu beschäftigen begann.“


Das Foto zeigt N. Jans Großmutter (hintere Reihe, markiert durch ein Kreuz) nach deren Befreiung aus der Zwangsarbeit. Sammlung N. Jan
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Natascha Nowikowa über das Reden und Schweigen ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg als Rotarmist in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war

„Die Geschichte meines Vaters, die ist intransparent. Also, ich kann auch nicht sagen, was passiert ist. Ich weiß, dass er gefangengenommen wurde, ich weiß aber nicht wo und er hat es vermieden darüber zu reden.
Mein Vater hat mir erzählt, wie seine Kindheit war, wie die Melonen gewachsen sind und die Tomaten, und wenn man die aufbrach, das war wie Kristall, und wie die geschmeckt haben, das war ein ganz anderer Geschmack und so. Also, das waren seine Erzählungen. Und von seinen Brüdern hat er erzählt, aber... Meine Mutter hat irgendwann mal nebenbei erzählt, dass er im sogenannten Arbeitserziehungslager „Langer Morgen“ in Hamburg-Wilhelmsburg war.“


Foto: Justin Warland (SHGL)
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Yulia Hartz über verschwiegene Geschichten in ihrer russischen Familie


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Ella Nikulina über die Vielschichtigkeit und Wider-
sprüchlichkeit von 
Erinnerungen in ihrer ukrainischen Familie


Blick aus dem Fenster von Ella Nikulinas Familie in Zhytomyr auf sowjetische Mosaiken. Foto: Ella Nikulina

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N. Jan darüber, wie unterschiedlich nah und fern der Krieg in der Erinnerung sein kann

„Ich würde sagen, dass bei beiden Großelternteilen (mütterlicherseits und väterlicherseits) der Zweite Weltkrieg sehr präsent war und sehr oft thematisiert wurde. Ich fand auch immer, dass, wenn ich in Polen war, es mir so vorkam, als sei der Zweite Weltkrieg nicht so lange her wie in meinem Alltag in Deutschland.“


Der Foto-Ausschnitt zeigt N. Jans Großmutter nach deren Befreiung aus der Zwangsarbeit. Sammlung N. Jan
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Jan Dohrmann erzählt, wie es dazu kam, dass er in dem Ort aufgewachsen ist, in dem sein Großvater einst als Zwangsarbeiter eingesetzt war


Rückseite des Fotos von Jan Dohrmanns Großvater als Kriegsgefangener. Sammlung Jan Dohrmann

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Natascha Nowikowa über versäumte Fragen an ihre Eltern

„Diese Geschichte meiner Eltern, die wird halt nicht gern gehört, damit wollen sich Leute nicht befassen.
Das ist viel zu nah und auch viel zu unangenehm und darüber redet man nicht und viele interessiert es auch nicht und andere wollen sich abgrenzen. Das sind unterschiedliche Beweggründe.
Und das ist auch schwer für mich, mich damit auseinanderzusetzen, weil ich immer dann auch so ein Schuldgefühl habe und denke: Wieso hast Du sie nicht danach gefragt? Warum hast Du Dich nicht noch mal erkundigt?
Warum hast Du da kein Interesse entwickelt zu fragen: Jetzt sag doch mal, was mit Dir war! Wo warst Du und wie war das?“


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)
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N. Jan über das Reden über den Krieg in ihrer Familie

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„In meiner Familie wird überwiegend informativ über den 2. Weltkrieg gesprochen. Es werden Tipps zu geschichtlichen Artikeln/Büchern oder Filmen ausgetauscht. Die männlichen Mitglieder meiner Familie haben ein großes Wissen über den historischen Ablauf und zu speziellen militärischen Situationen. Über Emotionen wird dagegen kaum gesprochen. Man nimmt alles, was passiert ist, einfach so an, weil man ja nichts daran ändern kann.

Ich habe dagegen versucht, so vieles wie möglich zu erfahren, was haben meine Großeltern erlebt – wie kam es zur Deportation, wie haben sie sich gefühlt, wie waren die Umstände jeweils beim Bauern (Großvater) und in der Munitionsanstalt (Großmutter). Wie haben sie sich kennengelernt, wie lange waren sie im Displaced Persons Camp und in welchem. Dabei hat mein Vater dann erzählt, was ihm so einfiel, auch verschiedene Anekdoten.“


Foto: Nina Weber (SHGL)
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Jan Dohrmann darüber, wie seine Familienmitglieder polnischer und deutscher Herkunft über den Krieg sprechen


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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„Wie gehen wir mit Menschen um, die mit anderen Geschichten und anderen Erinnerungen als der deutschen Mehrheitsgesellschaft hier leben?“


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Yulia Hartz über die Notwendigkeit, das Schweigen zu brechen, sowie die Bedeutung von Kriegserfahrungen für Familien


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Katja Makhotina über Ein- und Ausschlüsse aus der offiziellen deutschen Erinnerungskultur

„Wenn man davon ausgeht, dass die deutsche kollektive Identität auf kollektiver Verantwortung für den Holocaust basiert, dann fühlt man sich natürlich als jemand aus dem Kurdengebiet von Iran nicht so wirklich repräsentiert.“


Foto: Melina Hermel (SHGL)
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Ksenja Holzmann über eine gemeinsame Grundlage für die Erinnerungsarbeit

„Solange es Grenzen gibt, solange es Länder gibt, solange es (konstruierte) Kategorisierungen – zum Beispiel nationale Kategorien, aber auch andere Unterscheidungen zwischen „uns“ und den „Anderen“ – weiterhin geben wird, wird es immer ein Ungleichgewicht geben. Und ich glaube, die Gemeinsamkeit, auf die wir uns alle einigen müssen, ist der Antifaschismus.“

Foto: Melina Hermel (SHGL)
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Multiperspektivische Erinnerung

„Offenbar sind diese Geschichten universell und der Krieg und Not und Hungerleiden gehören nicht der Vergangenheit an, sondern die passieren nach wie vor – und es ist die Frage an uns, ob wir die Empathie und Menschlichkeit aufbringen, um diesen Geschichten zuzuhören.“


Foto: Nina Weber (SHGL)
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Yulia Hartz über den möglichen Austausch zwischen Nachkomm:innen von Verfolgten und von Täter:innen des Nationalsozialismus


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Natalia Wollny über die Potenziale eines multiperspektivischen Geschichtsunterrichts


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Antanina Chumakova über ein Beispiel, wie multiperspektivisches Erinnern aussehen kann


Foto: Nina Weber (SHGL)

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„Es sollten alle einen Zugang bekommen“: Ksenja Holzmann darüber, warum Multiperspektivität für Erinnerungskultur wichtig ist

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„Alle Perspektiven haben eine Berechtigung da zu sein und sichtbar zu sein und dass die Menschen darüber sprechen und diskutieren, denn die Welt ist komplex und die Komplexität ist ja auch gut. Wenn wir nur ein einfaches Schwarz-Weiß-Schema haben, ist es sehr einengend, sehr sperrig und würde der Gesellschaft und der Menschheit auch nicht gerecht werden.
Und deswegen finde ich Multiperspektivität total wichtig, die Teilhabe von allen – natürlich mit der Voraussetzung, dass das auf einem antifaschistischen Konsens beruht.

Das heißt, wenn wir an diesen Orten arbeiten, ist ganz klar, wogegen wir sind: gegen den Faschismus, gegen autoritäre Staaten, totalitäre Staaten, gegen Rassismen und andere Formen von Diskriminierung und natürlich auch gegen Gewalt und Entmenschlichung. Das ist für mich die Grundvoraussetzung.

Aber abgesehen davon sollten alle einen Zugang bekommen zu dieser Erinnerungskultur oder diesen Erinnerungskulturen. Und alle sollten die Berechtigung haben, das anzusprechen, was ihnen wichtig ist, wo sie auch Zugänglichkeit herbekommen und dass sie auch diese Zugänglichkeit dauerhaft sichtbar machen können, um noch mehr Menschen damit einzuladen.“


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)


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„Das Gefühl ist mir sehr vertraut“: N. Jan über das Hadern mit ihrer Geschichte

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„Das Hadern mit der Realität meiner Migrationsbiographie kam ungefähr, als ich 15 Jahre alt war. Nach dem Umzug aus dem Ruhrpott in den Norden habe ich zunächst lange keinen Anschluss in der neuen Schule erhalten. Ich vermute, durch die Erfahrung des Ausgeschlossen-Seins, der Erfahrung, nicht dazu zu gehören und irgendwie anders zu sein, habe ich angefangen, den Entschluss meiner Eltern, die Heimat zu verlassen, in Frage zu stellen. Für mich hat es ja keinen Sinn gemacht, mein Leben wurde ja nicht besser. Es kam mir so vor, dass dieses Land mich nicht möchte und ich hier nicht willkommen bin, weil ich mich irgendwie von den „richtigen Menschen“ unterscheide und ich auch scheinbar weniger wert bin als die anderen. Ich habe meinem Vater Vorwürfe gemacht, wir hätten in jedes andere Land gehen können, aber in diesem „Scheißland“ hätten wir nicht sein sollen.

Als ich studierte, hatte ich wiederholt merkwürdige Träume von meinen Großeltern, teilweise auch Alpträume. Zum Ende des Studiums habe ich angefangen mich zum Zweiten Weltkrieg insbesondere in Osteuropa zu informieren, mir war da auch schon bewusst, dass ich mich damit beschäftigen muss, weil das etwas mit mir zu tun hat. Die Folgen sind eine Sensibilität, dass das Thema nicht abgeschlossen ist in der Gesellschaft, dass der Zweite Weltkrieg in den Familien bis heute Auswirkungen hat, auch habe ich eine Sensibilität zum Thema Rassismus und struktureller Benachteiligung entwickelt. Das Gefühl, irgendwie anders zu sein und zu wissen, was es noch gibt jenseits der Normalität, begleitet mich latent durchgehend. Das Gefühl, dass jederzeit etwas Schreckliches passieren kann, ist mir sehr vertraut.“


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)
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Antanina Chumakova über den Einfluss von staatlichen Narrativen und Familiengeschichten auf ihre eigene Identität


Brester Festung, Belarus. Foto: Sarah Grandke (SHGL)

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Beobachtung von N. Jan, nachdem sie aus dem Urlaub zurückgekehrt ist

„Nur wenn ich im Ausland bin, habe ich keine Minderwertigkeitsgefühle wie in Deutschland. Das ist auch etwas, was mich latent immer begleitet – ich fühle mich in meinem normalen Alltag immer irgendwie weniger wert als die Menschen um mich herum und das ist nur weg, wenn ich im Ausland bin, egal wo.“


Foto: Justin Warland (SHGL)
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„Ich hatte keinen Zugang dazu“: Ksenja Holzmann über den Geschichtsunterricht ihrer Schulzeit

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„Also, meine Schulzeit und der Geschichtsunterricht, das waren ganz furchtbare Zeiten und die Planung war total schräg und es hat nie geklappt, weil wir ständig einen Lehrer:innenwechsel hatten, und deswegen, glaube ich, bin ich erst in der 11. Klasse in Berührung gekommen mit dem Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg – und das auch auf eine Art und Weise, die für mich irgendwie gar nicht so einen Bezug hergestellt hat, ich hatte keinen Zugang dazu.

Es ging immer nur um die, sag ich mal, wichtigsten Nazis und was die gemacht haben, welche militärischen Operationen es gab und weniger um etwas, was für mich greifbar war, was für mich irgendwie wichtig war, warum ich mich daran erinnern sollte oder müsste.“


Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Natalia Wollny über den fehlenden Bezug zur Geschichte in der Schule

„Also, ich teile sehr ähnliche Erfahrungen wie Ksenja. Ich bin auch im Schulunterricht das erste Mal mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Berührung gekommen, aber muss dazu auch sagen, dass auch ich keinen qualitativ wertvollen Geschichtsunterricht genossen habe. Ich hab da persönlich auch keinen Bezug zu herstellen können.
Ich teile auch die Erfahrung, dass es vor allem um die deutsche Perspektive ging und die ausländischen Opfergruppen nur sehr am Rande behandelt worden sind und wie eine Art abstrakte Masse, was ich sehr bedauere.“


Foto: Nina Weber (SHGL)


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Natalia Wollny über ihren ersten persönlichen Bezug zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg 

„Ich kann mich noch an mein allererstes Seminar an der Universität Bremen erinnern zum Thema „Warschau vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg“, eben als Erinnerungsort. Das war das erste Mal, dass ich einen persönlichen Bezug im Studium herstellen konnte, weil ich gemerkt habe: Hallo, ich hab polnische Wurzeln, ich bin hier auch betroffen, ich hab einen Bezug dazu!
Und das war etwas ganz Neues für mich und war auch, glaube ich, maßgeblich der Grund dafür, dass mich das so sehr interessiert hat und mich auch so richtig hineingezogen hat.“


Foto: Nina Weber (SHGL)


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„Das hat etwas in mir bewegt“: Ksenja Holzmann über ihren persönlichen Zugang zur Erinnerungskultur

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„Im Praktikum am Denkort Bunker Valentin in Bremen hab ich gemerkt, dass meine migrantische Herkunft, meine migrantische Identität, meine kulturelle Vielfalt plötzlich eine andere Bedeutung bekommt, denn ich habe ein Projekt bekommen, bei dem es um die Recherche zu Zwangsarbeiterinnen ging.

Als ich angefangen habe zu recherchieren, fiel mir auf, immer mehr Frauen kommen aus Osteuropa, also aus der Sowjetunion. Ich konnte die Namen lesen, ich wusste, wo männliche und weibliche Namen sich voneinander unterscheiden, und all das hat eine Bedeutung bekommen, weil ich das nicht im Studium mitgekriegt habe, sondern dass ist ein Teil meines Selbst. Und ich konnte auch viel mehr sichtbar machen, dass es gerade so viele sowjetische Zwangsarbeiterinnen gab, sehr viele Frauen aus der heutigen Ukraine, aus Belarus oder aus Russland. Und das hat was in mir bewegt und deswegen habe ich dann diesen Zugang bekommen.“


Fotos der sowjetischen zivilen Zwangsarbeiterinnen Sina (links) und Wera Falej (rechts), die Ksenja Holzmann im Rahmen ihrer Recherchen fand. Privatbesitz Maurizio Tomasi, Datum und Fotograf:in unbekannt

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Jan Dohrmann zu der Frage, welche Bedeutung seine Familiengeschichte für seine Arbeit in der Gedenkstätte Lager Sandbostel hat










Jan Dohrmann in der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Sammlung Jan Dohrmann

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Ella Nikulina über ihre Verbundenheit zu verschiedenen Geschichten und Orten

Dach des Gebäudes der ehemaligen Dortmunder Union-Brauerei, heute Kunst- und Kreativzentrum und wichtiges Symbol von Dortmund. Foto: CCO Public Domain

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Das Modellprojekt "Perspektiven öffnen - Geschichten teilen"

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Was ist das östliche Europa?

It's complicated.











Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Foto: Susann Lewerenz (SHGL)
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Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Der Zweite Weltkrieg im östlichen Europa

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Mit dem deutschen Angriff auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg in Europa. Deutsches Kriegsziel war die Vernichtung Polens und eine „Germanisierung“ der besetzten Gebiete. Zu diesem Zweck sollte die polnische Bevölkerung vertrieben, ermordet oder zu Arbeitssklav:innen erniedrigt werden. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 radikalisierte sich dieses verbrecherische Vorgehen.

Um „Lebensraum im Osten“ zu schaffen, verfolgten die deutschen Besatzer eine Vernichtungspolitik gegen die Zivilbevölkerung und Kriegsgefangene. Die als „slawisch“ erachtete Bevölkerung, insbesondere aber jüdische Menschen sowie Romn:ja, waren davon betroffen. Millionen von Menschen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt.


Kartenskizze einer Zukunftsvision von Europa unter deutscher Herrschaft, Marienberg/Sachsen, 4. April 1943 (Ausschnitt).
Quelle: bpk/Deutsches Historisches Museum – Sebastian Ahlers


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Mit dem Angriff auf Polen begannen die Deutschen auch eine Politik des Terrors gegen die polnische Bevölkerung. Hinter der Front ermordeten „Einsatzgruppen“ zehntausende Pol:innen. Nach der polnischen Kapitulation annektierte das Deutsche Reich den westlichen Teil des Landes. Das restliche Polen wurde als „Generalgouvernement“ unter deutsche Zivilverwaltung gestellt. In den annektierten Gebieten vertrieben die deutschen Besatzer Millionen Pol:innen und siedelten „Reichsdeutsche“ und „Volksdeutsche“ an, um die Gebiete zu „germanisieren“.

Die polnische Sprache und Kultur wurde unterdrückt, die Bevölkerung entrechtet und die besetzten Gebiete wirtschaftlich ausgebeutet. Ungefähr drei Millionen polnische Menschen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Insgesamt starben während der Besatzungszeit ca. 5,5 Millionen Pol:innen, darunter ca. 3 Millionen jüdische Menschen.


Warschau während des Warschauer Aufstandes im August 1944.
Museum of Warsaw – Ewa Faryaszewska

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Der deutsche Krieg gegen die Sowjetunion war von Anfang an als „Vernichtungskrieg“ geplant. Ziel war die Vernichtung der Sowjetunion, die Ermordung der jüdischen Bevölkerung und die Eroberung von „Lebensraum“. Die als „slawisch“ angesehenen Bevölkerungsteile sollten unterworfen, ihre Zahl sollte durch Vertreibungs- und Hungerpolitik reduziert werden und sie sollten Sklavenarbeit für Deutschland leisten.

In den besetzten Gebieten ermordeten „Einsatzgruppen“ systematisch die jüdische Bevölkerung und, unter dem Deckmantel der „Partisanenbekämpfung“, auch nicht-jüdische Zivilist:innen.

Die deutschen Besatzer deportierten zudem Millionen Zivilist:innen und Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich. Dort waren sie rassistischer Diskriminierung und Kontrolle sowie katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt. Ca. 3,3 Millionen sowjetische Soldaten starben in deutscher Kriegsgefangenschaft.

Die Zahl der getöteten Zivilist:innen wird auf weit über 10 Millionen geschätzt.


Berittene deutsche Soldaten in einem brennenden Dorf in Belarus,
16. Juli 1941. 
Bundesarchiv, Bild 101I-137-1032-14A – Rudolf Kessler/CC-BY-SA 3.0
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Katja Makhotina über unterschiedliches Erinnern an den Krieg in Deutschland und in den postsowjetischen Staaten

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„In Deutschland, so wie ich das beobachte, ist die Erinnerung an den Vernichtungskrieg als Teil des Zweiten Weltkriegs nicht sehr präsent bzw. es wird vor allem über den Russlandfeldzug gesprochen, aber weniger über die Gewaltphänomene in der besetzten Gesellschaft: Wie war diese Besatzung überhaupt? Wie hat sie funktioniert? Wie war sie aufgestellt? Welche Akteurinnen und Akteure waren da tragend und welcher Verbrechen haben sie sich schuldig gemacht?

Das ist, glaube ich, schon der Unterschied, dass in den Ländern, den Regionen der Sowjetunion, die unter Besatzung waren, die Erinnerung an die Zeit der Besatzung, die Zeit der deutschen Okkupation, zentral ist.

Dazu gehören auch solche Gewaltphänomene wie Hunger als Waffe, verbrannte Dörfer, Rückzugsverbrechen, Einsperrung in den Lagern, Ermordung von Kranken oder Ermordung von Kindern, Revancheaktionen oder Vergeltungsaktionen – das sind alles Phänomene, die in diesen Gesellschaften verwurzelt sind.“


Mahnmal für die im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen ausgelöschten Dörfer in Chatyn, Belarus. Foto: Sarah Grandke (SHGL)
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Jan Dohrmann über „Leerstellen“ der westdeutschen Erinnerungskultur vor dem Hintergrund des „Kalten Krieges“


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Beobachtungen von Ella Nikulina über Unterschiede zwischen der deutschen und der ukrainischen Erinnerungsarbeit


Ewiges Feuer in Zhytomyr in Erinnerung an den „Großen Vaterländischen Krieg“. Foto: Ella Nikulina

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Auschwitz als „Black Box“: Katja Makhotina über die Trennung von Krieg und Holocaust in der deutschen Erinnerung

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„In Deutschland, wenn man über den Krieg spricht, dann sind es deutsche Kriegsgefangene, der Opfergang vor Stalingrad, die Einkesselung der deutschen Armee und die deutschen Soldaten als Opfer, das ist das eine.
Auf der anderen Seite wird der Holocaust meines Erachtens nicht in Zusammenhang gesetzt mit dem Vernichtungskrieg. Also: Auschwitz ist eine Art Black Box – industrieller Massenmord, anonymer Massenmord –, wird aber nicht mit diesem Krieg und seiner Radikalisierung durch rassenideologische Programmatik in Verbindung gesetzt. Also: Erschießungen vor aller Augen, mit vielen Zuschauern, mit vielen Zeugen, mit vielen Mittätern auf der lokalen Ebene im besetzten Baltikum, der Ukraine, Belarus und in Russland, das gehört eben nicht zu den Aspekten, die man hier in den Schulen lernt.“


Gedenken an ermordete Jüdinnen und Juden im Wald von Blagowschtschina, Belarus. Foto: Mark Mühlhaus (attenzione photographers)
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Olga Iwanowa über die Schwierigkeit, in Russland der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen zu gedenken

„Es ist leichter für die russischen Behörden, Heldentaten zu besingen und Veteranen zu besingen als zu gestehen, dass es einige Millionen von Menschen gab, die die Sowjetunion nicht beschützen konnte und die verschleppt wurden.
Aus diesem Grund gibt es sehr wenig Menschen, die sich mit der Geschichte der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen befassen.“


Foto: Sarah Grandke (SHGL)
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Yulia Hartz über lähmende Erinnerungen an die Siegesfeiern am 9. Mai in ihrer Schulzeit in Russland


Foto: Sarah Grandke (SHGL)

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Katja Makhotina über unterschiedlichen Perspektiven auf die jüdische Geschichte im Zweiten Weltkrieg

„Ich finde in der deutschen Erinnerung viel zu wenig präsent, dass Juden nicht nur passive Opfer waren, sondern dass sie tatsächlich auch in der Roten Armee kämpften, dass sie im jüdischen Partisanen-Widerstand waren. Und das hat in der globalen jüdischen Erinnerung schon einen sehr wichtigen Platz, ist ein sehr wichtiges Motiv – aber hier sind sie die armseligen Gestalten, die im Lager starben oder vergast wurden.“


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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„Einige ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter:innen und KZ-Häftlinge fanden die Nachkriegszeit in der Sowjetunion viel schlimmer. Ich kann das total verstehen. Niemand hätte damit mit der Diskriminierung nach der Befreiung rechnen können – in seiner eigenen Heimat.“


Foto: Nina Weber (SHGL)
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Natascha Nowikowa über Rassismus in der frühen Bundesrepublik

„Es stand im Raum, dass es eine Entschädigung gibt, aber die haben ja so lange mit den Entschädigungsgeldern gewartet, bis die meisten tot waren. Und meine Mutter ist darüber auch gestorben. Das ist auch eine Form von Rassismus, die da vorherrschte in der Auseinandersetzung mit solchen Menschen – und das haben meine Eltern mit Sicherheit ganz oft und ganz massiv gespürt. Und ich hab das einmal auch erlebt. Ich erinnere mich, wir sind Straßenbahn gefahren und ich hatte mich neben meine Mutter gesetzt und eine deutsche Frau schob mich mit ihrem Hintern runter vom Sitz. Meine Mutter hatte mit uns Russisch gesprochen und dann sind solche Sachen passiert. Ich glaub, das hatte damit zu tun, dass wir Ausländer waren.“


Foto: Nina Weber (SHGL)


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Ksenja Holzmann über mögliche Kontinuitäten in heutigen Arbeitsverhältnissen osteuropäischer Menschen in Deutschland

„Ich finde Zwangsarbeit auch deshalb so spannend als Thema, weil die Kontinuitäten immer noch da sind. Also: Warum werden gerade billige Arbeitskräfte aus Osteuropa nach Deutschland geholt, um Erdbeeren und Spargel zu ernten? Warum sind viele migrantische Personen, die aus Osteuropa gekommen sind, als Putzfrau in Deutschland eingesetzt oder als Hausmeister und nicht anders? Warum werden die akademischen Titel nicht anerkannt, wenn sie hierherkommen?“


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Antanina Chumakova darüber, welche Folgen es haben kann, Geschichte nicht aufzuarbeiten


Foto: Justin Warland (SHGL)

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Jannick Piskorski über Entfremdung durch Sprache


Foto: Justin Warland (SHGL)

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Von Ost nach West: Migrationsbewegungen aus dem östlichen Europa nach Deutschland

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Migration ist Normalität – nicht erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch verläuft Migration in Geschichte und Gegenwart keineswegs immer von „Ost“ nach „West“. So folgten beispielsweise die so genannten „Russlanddeutschen“ im 18. Jahrhundert einem Angebot der russischen Zarin Katharina der Großen und wanderten in Gebiete an der Wolga und in der heutigen Ukraine aus.

Bestimmte Migrationsbewegungen aus dem östlichen Europa nach Deutschland sind aber besonders eng mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Verbrechen verbunden. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt.


Foto: Nina Weber (SHGL)

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Nach Ende des Zweiten Weltkriegs galten ca. 11 Millionen Menschen als so genannte „Displaced Persons“ (DPs). Als DPs bezeichneten die Alliierten Personen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befanden und nicht ohne Hilfe zurückkehren konnten. Der überwiegende Teil der in Deutschland befindlichen ca. 8 Millionen DPs war während des Krieges zur Zwangsarbeit, als Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge verschleppt worden.

Die meisten von ihnen kehrten in ihre Herkunftsländer zurück oder konnten nach Jahren in DP-Camps in andere Länder auswandern. Aber vor allem viele Menschen aus dem östlichen Europa konnten oder wollten nicht zurückkehren. Einige jüdische Überlebende fürchteten antisemitische Anfeindungen. Und sowjetische DPs mussten damit rechnen, in ihrer Heimat als „Verräter“ verfolgt zu werden, weil sie „für den Feind gearbeitet“ hatten.

Als „heimatlose Ausländer“ bezeichnet, lebten diese Menschen ein Leben am Rande der deutschen Gesellschaft. Sie wurden diskriminiert und hatten Schwierigkeiten, Arbeit oder eine Wohnung zu finden. Viele litten unter den gesundheitlichen Folgen der Zwangsarbeit.


Foto: Nina Weber (SHGL)




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Natascha Nowikowa über den Entschluss ihrer Eltern, nach der Befreiung nicht in die Sowjetunion zurückzukehren

„Sie konnten sich eigentlich nicht vorstellen, in Deutschland zu bleiben, im Feindesland, das sie ausgebeutet hat. Aber sie wussten aus irgendwelchen Quellen, dass man, wenn man in Deutschland zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde, letztlich das nicht nachweisen konnte und als Feind bewertet wurde und dann nach Sibirien verschleppt worden wäre.“


Foto der Eltern und der Schwester von Natascha Nowikowa mit Bekannten, nach 1945. Ihr Vater ist der 2. von links, ihre Mutter die 2. von rechts, vor der Mutter steht ihre Schwester. Sammlung Natascha Nowikowa
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Während des „Kalten Krieges“ war die Migration aus dem sozialistischen „Ostblock“ in den „Westen“ stark eingeschränkt. Nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ um 1990 nahm die Migration aus dem östlichen Europa nach Deutschland jedoch sprunghaft zu. So lebten 2017 ca. 3,5 Millionen Menschen mit einem post-sowjetischen Hintergrund in Deutschland. Ein großer Teil von ihnen zählt entweder zu den so genannten „(Spät-)Aussiedlern“ oder „Kontingentflüchtlingen“.

Als „(Spät-)Aussiedler“ gilt, wer „als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger“ durch den Krieg seine Heimat verloren hatte – durch Vertreibung aus ehemals deutschen Regionen oder aus Staaten im östlichen Europa, die während des Zweiten Weltkrieges von Deutschland besetzt gewesen waren. „(Spät-)Aussiedler“ erhielten neben der deutschen Staatsangehörigkeit gewisse Integrations- und Eingliederungshilfen, die sie gegenüber anderen Migrant:innengruppen privilegierten. Zugleich wurden sie jedoch meist beruflich abgewertet, ihre Namen wurden – vielfach ohne ihr Einverständnis – geändert und sie erleben bis heute oft Alltagsdiskriminierung.

Als „Kontingentflüchtlinge“ wiederum konnten Menschen mit einem jüdischen Familienhintergrund aus post-sowjetischen Staaten nach Deutschland einwandern. Ihre Aufnahme wurde mit der historischen Verantwortung für die Shoah begründet – sie sollte ausdrücklich als „Wiedergutmachung“ dienen. Auch die „Kontingentflüchtlinge“ bekamen Integrations- und Eingliederungshilfen, wurden jedoch ebenfalls vielfach beruflich abgewertet und diskriminiert.


Foto: Nina Weber (SHGL)


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Antanina Chumakova über „weiße Flecken“ in der deutschen Erinnerungskultur


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Katja Makhotina über eine „Leerstelle“ der deutschen Erinnerungskultur

„Ich wundere mich immer wieder, warum es so wenig verbreitet ist, dieses Wissen um die Blockade Leningrads. Wir treffen uns jetzt am 8. September 2021, dem 80. Jahrestag des Beginns der Blockade von Leningrad, in Hamburg. Hier gibt es eine Gedenkveranstaltung.
Ich wüsste jetzt nicht von anderen Gedenkveranstaltungen zu diesem Anlass.
Das berührt mich schon emotional. Ich habe heute in der Süddeutschen Zeitung nichts gefunden zu diesem Thema, der einzige große Bericht war gestern in der taz. Was sagt das aus über die deutsche Erinnerungskultur? Ist es tatsächlich einfach Ignoranz oder ist es Zufall oder ist es wegen der Tagespolitik? Und das Problematische an der deutschen Erinnerungskultur ist, dass Tagespolitik und Gedenkpolitik miteinander vermengt werden.“


Piskarevo-Gedenkfriedhof in St. Petersburg, auf dem ca. 600.000 verhungerte Leningrader:innen beigesetzt wurden. Foto: Katja Makhotina

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Natalia Wollny über die fehlende Beschäftigung mit der Geschichte der polnischen und sowjetischen Verfolgten


Gräber sowjetischer Kriegsgefangener auf dem Friedhof Bergedorf. Foto: Iris Groschek (SHGL)

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N. Jan über das fehlende Gedenken an die Zwangsarbeiter:innen

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„Prinzipiell finde ich es gut, dass und wie man in Deutschland über den Nationalsozialismus informiert. Es gibt ein breites Angebot in Schulen, Museen und in den Medien. Ich kann mich allerdings erinnern, dass, als bei mir auf dem Gymnasium zum Thema Holocaust unterrichtet wurde, ich mir die Frage stellte, was es soll, dass wir zwar darüber lernen sollen im Unterricht, man es aber doch gewährt, dass in den Klassen Leute ausgeschlossen und gemobbt werden. Was nützt das bloße Übermitteln von Informationen?

Ich ärgere mich auch über verschiedene Fernsehfilme deutscher Produktion über den Zweiten Weltkrieg, in denen man immer den Eindruck hat, ganz normale Menschen wären gegen den Nationalsozialismus gewesen, und das auch noch in der Mehrzahl. Die Nazis sind da immer die anderen, und das stört mich wirklich sehr. Dokus finde ich dagegen meistens gut.

Mir fehlt ein Angebot, wie man an die Zwangsarbeiter erinnert, war es doch eine große Opfergruppe und waren sie doch überall präsent. Es gibt schon durchaus Informationen, die man recherchieren kann. Ich gehe beispielsweise immer am 9.11 zum Grindelviertel, ein Hamburger Stadtviertel, in dem vor dem Nationalsozialismus viele jüdische Menschen lebten, und stelle Kerzen auf. Das ist natürlich ein historisches Datum, an dem man ein Zeichen der Erinnerung setzten kann und das ist gut und wichtig so, aber die Zwangsarbeiter haben solche Tage und Orte des Gedenkens nicht, und werden damit vergessen.“


Foto: Justin Warland (SHGL)
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Beobachtungen von Olga Iwanowa über „Leerstellen“ in der Erinnerung an die Konzentrationslager in Deutschland

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„Es ist nicht so leicht zu beurteilen, in welcher Weise sich Erinnerungskultur in Deutschland von der in Russland unterscheidet, weil ich das ganze Jahr in der Gedenkstätte verbracht habe – und die Erinnerungskultur steht im Mittelpunkt der Gedenkstättenarbeit. Ich kann also schlecht beurteilen, wie Menschen, die nicht täglich damit konfrontiert werden, das sehen.

Aber ich kann dazu ein Beispiel geben: Ich habe eine Freundin aus der KZ-Gedenkstätte Dachau, wir haben sie mehrfach besucht und wir haben die Gedenkstätte dort auch besucht und sie hat uns eine Führung gegeben. Und danach sprach ich mit einer meiner Kolleginnen aus einem anderen Arbeitsbereich als der Gedenkstätte – und es stellte sich heraus: Sie hatte in Dachau, nicht weit von der Gedenkstätte, ziemlich lange gewohnt vorher. Und sie hat mir gesagt, sie hat nie die Gedenkstätte besucht. Es war für mich ein bisschen merkwürdig.“


Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau
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Jan Dohrmann in der Gedenkstätte Lager Sandbostel

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Jan Dohrmann über die Umgestaltung des Gedenkens an die auf dem Lagerfriedhof Sandbostel bestatteten sowjetischen Kriegsgefangenen


Das sowjetische Mahnmal auf dem Lagerfriedhof von Sandbostel. Foto: Nina Weber (SHGL)

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Jan Dohrmann über Initiativen für ein individuelles Gedenken an die sowjetischen Kriegsgefangenen


Gedenken an die sowjetischen Kriegsgefangenen auf dem Lagerfriedhof von Sandbostel. Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Jan Dohrmann über das Gedenken an die polnischen Kriegsgefangenen


Grabstein eines polnischen Kriegsgefangenen auf dem Lagerfriedhof von Sandbostel. Foto: Nina Weber (SHGL)

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Foto: Denkort Bunker Valentin/Landeszentrale für politische Bildung – Henry Fried

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Denkort Bunker Valentin/Landeszentrale für politische Bildung Bremen
Video: Henry Fried


Foto: Ehrenanlage für KZ-Opfer auf dem Friedhof in Bremen-Osterholz. Denkort Bunker Valentin/Landeszentrale für politische Bildung – Ksenja Holzmann

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Yulia Hartz vor dem Überrest des Gefängnisses, das 1948 auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme errichtet wurde

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Erinnerungen von Yulia Hartz an ihr erstes Jugend-Workcamp in Neuengamme im Jahre 2003


Überrest des Gefängnisses, das 1970 im Bereich der ehemaligen Tongruben in Betrieb genommen wurde. Foto: Nina Weber (SHGL)

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Yulia Hartz über den Umgang deutscher Unternehmen mit ihrer NS-Vergangenheit


Yulia Hartz im ehemaligen SS-Garagenhof des KZ Neuengamme

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Yulia Hartz darüber, warum die Namen der Toten im Haus des Gedenkens eine so große Wirkung auf sie haben

Im Haus des Gedenkens hängen Fahnen mit Namen von Menschen, die im KZ Neuengamme ermordet wurden. Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Antanina Chumakova über einen für sie bedeutsamen Ort in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme


Antanina Chumakova in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Foto: Susann Lewerenz (SHGL)

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Anknüpfungspunkte richtig

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Foto: Iris Groschek (SHGL)

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Antanina Chumakova über die Bedeutung von Gegenwartsbezügen im Schulunterricht

„Dadurch, dass ich jetzt unterrichte, habe ich gelernt, dass der Lebensweltbezug total wichtig ist. Die Jugendlichen lernen nur, wenn sie verstehen, dass es sie in ihrer heutigen Lebenswelt selbst betrifft, dass das aktuell für sie ist, und dass sie die Kompetenzen, die sie erwerben, auch auf heutige Probleme anwenden können. Wenn ich Nationalsozialismus unterrichte, fange ich nicht mit der Vergangenheit an, sondern ich frage: Können die Rechtsradikalen heute an die Macht kommen – und wenn ja, aus welchen Gründen? Und dann übertrage ich das auf die 1930er-Jahre und sage: Lasst uns anschauen – was ist damals nach dem Ersten Weltkrieg passiert, aus welchen Gründen war es möglich, dass Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde? Wenn die Schüler:innen diese Kontinuitäten und die Anknüpfungen für sich verstehen, können sie das mitnehmen und auf aktuelle Probleme anwenden. Wenn man nur über die Vergangenheit spricht und den Bezug zur heutigen Welt nicht darstellt, hat das keine große Wirkung.“

Foto: Nina Weber (SHGL)


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Ella Nikulina über den Einfluss von Geschichte auf den Krieg in der Ukraine


Inzwischen abgetragenes sowjetisches Denkmal „Der Sieg des Kommunismus ist unvermeidlich“, Ukraine 2015. Foto: Sarah Grandke

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Appell richtig

Alexey Markin, Hamburg, 06.04.2022

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Ich kann nur hier und jetzt sprechen. Seit einem Monat läuft der Krieg. Der Aggressor Russland greift die Ukraine an. Die Folgen dieses Angriffs sind zerstörte Städte, zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung und die Okkupation der ukrainischen Gebiete. Der Krieg läuft nicht nur dort, in der Ukraine. Es gibt einen Propagandakrieg in den Medien – einen Krieg um Sinn und Bedeutung. Ob wir es wollen oder nicht, dieser Krieg beeinflusst uns, verändert uns hier, weit weg von der Frontlinie.

Die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs spielen in diesem Krieg eine besondere Rolle. Als Nachfolger der UdSSR beansprucht Russland das Recht, das Hauptopfer des deutschen Faschismus zu sein. Russländische Propagandist:innen produzieren ideologische Konstrukte, um die ukrainische Identität mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Der Unabhängigkeitskampf von Ukrainer:innen gegen den Aggressor wird dadurch stigmatisiert und der Angriff mit „Entnazifizierung“ der Ukraine gerechtfertigt.

Hier, in Hamburg, in Deutschland, in der EU, aber auch dort in Russland, in der Ukraine, in Belarus muss man auf die russländische Manipulation der Geschichte des Zweiten Weltkriegs reagieren! Denn diese Geschichte wird instrumentalisiert, um einen Krieg gegen die Ukraine zu führen, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen.

Wenn Frieden wieder kommt, wenn wir die Opfer dieses Krieges betrauern können, müssen wir lernen, über die sowjetischen Opfer des vergangenen Krieges anders zu sprechen, damit die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg nicht mehr zu einer Rechtfertigung von Aggression missbraucht wird. Die radikale Demokratisierung der Erinnerungspolitik muss ein Versprechen gegen den Krieg und gegen die Rechtfertigung des Verbrechens in der Zukunft sein.


Foto: Susann Lewerenz (SHGL)
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Das Transferprojekt "Migration Lab Germany"

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